Die Brotdose des Anstoßes

Im Japanischen gibt es den Begriff des Moritsuke. Es geht dabei um, die besondere Art Essen anzurichten. Die Idee, dass das Auge mitisst, wird somit zu einer wahren Kunstform.
Wer schon einmal in Japan oder einem guten japanischen Lokal war, weiß, wovon ich spreche.
Dieser Kunstform entspringen auch die mittlerweile auch hier bekannten Bento Boxen, die oft so schön sind, dass man sie gar nicht essen will, um sie nicht zu zerstören.
Die Idee dieser Bento Boxen hält seit längerem auch Einzug in die sozialen Medien. Es finden sich viele Anregungen für sich selbst, aber auch für Kinder.

Meine Brotdosen

Meine Brotdosen als Kind waren schlicht. Wenn es mal ganz ausgefallen wurde, bekam ich ein Stück Salat auf mein Käsebrot. Gegessen habe ich das seltenst, außer der Hunger war groß genug.
Ich bin nicht besonders kreativ darin, der kleinen Kornblume die Brotdose fertig zu machen. Wichtig ist mir, dass sie wenigstens ein halbwegs gesundes und ausgewogenes Frühstück dabei hat. In den meisten Fällen schaffe ich wahrscheinlich.

Seit einiger Zeit folge ich einem Insta, in dem es primär um Brotdosen geht. Die Mutter, die diesen Account unterhält, filmt sich jeden Tag bei der Erstellung der Brotdosen für ihre Kinder. Was sie zaubert, fasziniert mich und die kleine Kornblume regelmäßig. Wir hätten beide gerne solche Brotdosen.
Ihren Wunsch nach einer solchen Brotdose verstehe und sehe ich, weil ich weiß, wie sehr ich es mir als Kind gewünscht hätte.
Ich wäre auch ein Kind für eine solche Dose gewesen.
Ich bin aber keine Mutter für eine solche Dose.

Die schöne Brotdose aushalten

Das Stichwort ist „aushalten“. Wenn ich als Mutter etwas nicht tue, meine aber zu wissen, dass es meinem Kind gefallen oder es freuen würde, dann muss ich diese Gefühle aushalten. Meine und die des Kindes.
Ich muss die Verantwortung dafür übernehmen, meinem Wunsch etwas nicht zu tun, für mich wichtiger oder höher zu werten als den des Kindes etwas zu bekommen.
Das ist etwas, was wir als Eltern jeden Tag vielfach tun und tun müssen.

Die Welt von Müttern könnte so schon sein, wären Mommy Wars für viele mittlerweile nicht eine eigene Disziplin im Mutter sein.
Dieses Reel hätte man sich ansehen und schmunzeln können. Man hätte sich auch für Kinder freuen können, die so eine liebevolle und schöne Brotdose bekommen. Habe ich auch gemacht. Ein wenig neidisch war mein inneres Kind schon. Die kleine Kornblume kann es bestätigen. Meine Brotdosen sind unkreativ und maximal uninnovativ. Ich lebe gut damit und die kleine so weit auch.

Das könnte es gewesen sein. Kurzer Lacher. Weiter gehts. Oder doch nicht. Nun erreicht dieses Reel eine gewisse Reichweite und bringt einige Menschen, zu kochen. Diese ziehen dann auf den Brotdosen Account, um sich mal so richtig auskotzen und vom Leder zu ziehen.
Mein Favorit unter allen dummen Phrasen ist, wenn jemand einen ewig langem Kommentar verfasst oder sich ausgiebig an Diskussionen beteiligt, um klarzumachen, dass er für sowas (beliebiges Thema des Beitrags) keine Zeit hat. Klassiker. Lieben wir.
Und so lese ich lange davon, wie viele keine Zeit haben für Brotdosen, aber für Kommentare dieser Art, gegenseitige Likes und Mutmaßungen über die Mutter und Kinder hinter dem Account. Spoiler Ladys, in der Zeit hättet ihr locker eine solche Brotdose hinbekommen und das verwendete Brot noch selber backen können. Dann wäre es sicher gesünder.
Das Ausmaß nimmt irgendwann erschreckende Züge an und manche schrecken nicht davon zurück, direkt auf die Kinder loszugehen.
Und ich frage mich die ganze Zeit, worum es hier eigentlich noch geht.
Brotdosen sind es nicht.

Worum es mir geht

Mir geht es hier um verschiedene Dinge. Mich kotzen Mommy Wars extrem an. Von der Stoffwindel bis zu Brotdose. Ich habe noch nichts gefunden, was eine Mutter tut, wofür sie von anderen nicht gehatet werden kann. Und wenn es nur die Farbe des Kinderzimmers ist. Beige finde ich auch Kacke, aber weder muss ich es mögen noch ist es ein Verbrechen.
Warum ist es für viele so unerträglich, wenn eine Mutter für sich etwas gefunden hat, dass ihr sichtlich Freude macht und damit ihren Kindern eine Freude macht?
Nein. Kinder mit schönen Brotdosen sind genauso wenig vernachlässigt wie Kinder mit einfallslosen oder gar hässlichen Brotdosen.
Und egal welche Kommentare manche Mütter unter ein Brotdosen Video knallen – sorry Ladys, dadurch werden eure Brotdosen auch nicht hübscher.

Manchmal habe ich den Eindruck, die sozialen Medien sind für Mütter ein nie enden wollender PEKiP Kurs. Es findet sich immer noch etwas, über das verbissen diskutiert, in dem sich verglichen und gegenseitig abgewertet werden kann.

Immer schön tief unter die Gürtellinie.
Immer mit bedacht darauf, auf das Herz der Mütter zu zielen.
Immer die Kinder mit einzubeziehen.

Und während online der Kampf tobt, ob eine schöne Brotdose zum unselbstständigen Amokläufer macht, fehlt es da draußen an Dingen, die Kinder wirklich brauchen. Fachpersonal in Kitas. Ausstattung in Schulen. Kinderstationen in Krankenhäuser.

Nennt es gerne Derailing. Mir egal. Das hier ist auch nur ein Teil fehlgeleiteter Wut, Überforderung und Hilflosigkeit.

Mehr zum Thema Leben mit Kindern und Teile unseres Alltags, findet ihr auf meinem Instagram Account.
Dort teile ich täglich Storys und Schnappschüsse.


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