Die Bibliothek

Mein erster Besuch in einer Bibliothek war zu Kindergartenzeiten mit meiner Mutter. Der Begriff Bibliothek ist zwar korrekt aber ich würde sie eher so bezeichnen, wie sie sich selbst nannte: Gemeindebücherei.
Was sich in meinen Kindheitserinnerungen riesig und ehrfürchtig abgezeichnet hat, ist eigentlich ein kleiner Bereich eines Rathauses mitten in der süddeutschen Provinz.
Dort gab es mehr Bücher als ich je gesehen hatte. Der Bereich für die Kinder war im Keller und die Auswahl war, gerade in Bezug auf die eigentliche Größe dieser Einrichtung, doch beträchtlich. Den Geruch und wo sich meine Lieblingsbücher befanden, werde ich nie vergessen. Treppe runter, Gang entlang bis ganz nach hinten und dann links.
Dass ich ein Nerd werden würde, zeichnete sich früh ab. Die MINT-Exemplare der „was ist was“ Reihe kannte ich bald auswendig und arbeitete mich dann durch die nicht besonders umfangreiche weiterführende Literatur. Wikipedia und Co. waren noch weit entfernt. Was vielleicht ein glücklicher Umstand war, der mich dazu zwang, mich auch mit anderen Themen zu beschäftigen. Über Stephem Kings „Es“ fand ich zu Marry Shelly, Lord Byron und entdeckte ausgehend von Percy B. Shelley Poesie. Einem für mich damals spannenden Cover verdanke ich die Bekanntschaft mit Homers „Odysee“ oder Kafkas „Verwandlung“.

Das Angebot dieser kleinen Provinzbücherei, ermöglichte mir einen Zugang zu Wissen, der mir sonst einfach versperrt geblieben wäre.
Ob diese Bibliothek das weiß? Wahrscheinlich nicht.
Ich bin jedenfalls sehr dankbar und verbinde sehr viele schöne Erinnerungen mit dieser Einrichtung, mit ihren grünen Teppichen und weiß-roten Regalen.

Meine Liebe zu Bibliotheken vertiefte sich während meines Studiums weiter.
Gerade Fachbücher können eine sehr teure Angelegenheit sein. Je nach Anzahl der belegten Kurse und dafür nützlicher Literatur kommen pro Semester leicht mehrere hundert Euro zusammen. Das Geld hatte ich als Studentin nicht. Aber nicht nur, dass mir die Unibibliothek die Möglichkeit bot, kostenfrei an gedrucktes Wissen zu kommen, sie gab mir auch einen Lernort. Ich habe den größten Teil meiner Unizeiten in den Bibliotheken verbracht. Im Winter war es warm, im Sommer gab es eine Klimaanlage und immer einen sauberen, mehr oder weniger gemütlichen Arbeitsort. Hier konnte ich meinen Kram liegen lassen, lernen oder sogar entspannen und nichts tun. Ein tropfsicherer Kaffeebecher vervollständigte mein Glück und dank eines Schließfachs konnte ich mich heimisch einrichten. Wechselklamotten in Bibliotheken werden massiv unterschätzt.
Ich hatte immer dieselben Plätze.

Ich gebe zu, ich bin eine Fenstersitzerin. Der Blick auf die Bäume, die frische Luft durch die Fenster, meine Bücher vor mir, und die Möglichkeit alles um mich herum lesen und lernen zu können. Das war Frieden. Auch heute finde ich nichts entspannender.

Ich gehe immer noch gerne in die Bibliotheken. Angesichts dessen, wie oft ich mittlerweile Mahngebühren bezahlen muss, sehe ich mich irgendwie als eine Literaturmäzenin. Mir hilft der Gedanke jedenfalls, die nicht gerade geringen Kosten meiner Schludrigkeit zu tragen.

Das Kind hat einen solchen Hunger nach neuen Büchern, Geschichten und Wissen, dass es mir nicht möglich wäre alle Bücher zu kaufen, die sie haben möchte. Nicht nur finanziell. Die Wohnung ist einfach nicht groß genug. Ich genieße unsere gemeinsamen Besuche der Bibliothek. Neue Bücher entdecken, reinsehen, entdecken, zurücklegen oder mitnehmen. Toben in der Spielecke, dann Tee und Apfelschorle und anschließend die Schätze nach Hause tragen. das Auspacken ist immer irgendwie magisch. Die Bücher gehören nicht uns aber sie sind ein Geschenk.

Meiner Meinung nach sind öffentliche oder auch Uni Bibliotheken etwas wunderbares. Sie bieten einen niederschwelligen Zugang zu Informationen, ermöglichen Kontakte, können einen Teil der Freizeitgestaltung darstellen und bieten einen Ort zum lernen oder Entspannen oder sich treiben lassen.

Ich lerne und arbeite auch heute noch gerne in „der Bib“. Zwar bieten Stadtbibliotheken nicht mehr physisch die Literatur, die ich zum arbeiten brauche aber sie bieten mir einen Ort der Ruhe und einen Raum zum arbeiten und neues zu entdecken. Ein hoch auf das freie WLAN und die vielen Bücher zu Ablenkung.
Einen Platz am Fenster mit Blick auf die Bäume suche ich mir auch heute noch. Ich habe viele Jahreszeiten von diesen Fenstern auch kommen und gehen sehen. Und es werden hoffentlich noch viele folgen.


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